Erinnerungen an die Großmutter „ Hebamme“ Barbara Zimmer
von Rudolf Zimmer, dokumentiert von Alfred Graf
Barbara Zimmer und ihre Ehrenurkunde
Millionen von Lesern kennen die spannende Geschichte von der jungen Hebamme Marthe aus dem 13. Jahrhundert, die aus der Feder der Autorin Sabine Ebert stammt. Die Geschichte unserer Hebamme spielte im 20. Jahrhundert in der Schwarzwaldgemeinde Lauf. Es handelt sich um Barbara Zimmer, genannt: „Trappe Bärb“. Sie wurde am 3. Dezember 1888 als erstes Kind von Josef Trapp und Pauline Dinger in der Au in Lauf geboren. Es folgten noch weitere acht Geschwister. Das Leben von Barbara Trapp war geprägt durch harte Arbeit, zwei Weltkriege, schwere Schicksalsschläge und durch ihren Beruf als Hebamme. Am 5. September 1910 heiratete Barbara Rudolf Zimmer, einen Landwirt aus Lauf. Aus der Ehe gingen zwei Töchter und vier Söhne hervor, drei ihrer Söhne starben als Soldaten im 2. Weltkrieg, was ein furchtbarer Schlag für die Familie war. Aus den Ehen ihrer 6 Kinder gingen 17 Enkelkinder hervor, die heute noch voller Bewunderung über ihre Großmutter sprechen. Der älteste Enkel ist Georg Zimmer in Neusatz, Jahrgang 1937, der jüngste Enkel ist Jürgen Trapp in Sasbachwalden, Jahrgang 1967. Als älteste von neun Geschwistern musste Babara schon sehr früh Verantwortung übernehmen. Dadurch entwickelte sie sich zu einer robusten und couragierten Persönlichkeit, wahrscheinlich wurde dadurch auch der Wunsch, Hebamme zu werden, geweckt. Ihr Leben verlief in festen Bahnen, Die Kindheit war geprägt durch Schule, Haus- und Hofarbeit, Feldarbeit und Kirche. Am Sonntag wurde ausgeruht, um in der kommenden Woche wieder einsatzbereit zu sein. Für Entspannung oder Vergnügen war keine Zeit, selbst der bescheidene Wunsch, einmal zum Mummelsee zu wandern, wurde von ihrem Vater streng abgewiesen. Erst im Alter von 40 Jahren konnte sie sich diesen Wunsch erfüllen. Nach ihrer Volksschulzeit arbeitete sie sechs Jahre in der Zigarrenfabrik Lauf. Im Jahre 1911 besuchte sie die Landesfrauenklinik in Heidelberg wo sie den verantwortungsvollen Beruf einer Hebamme erlernte. Nach der Ausbildung wurde sie am 1. Juni 1912 von der Gemeindeverwaltung Lauf als Hebamme eingestellt.
Ihr Einsatzgebiet war Neusatz, Ottersweier, Lauf, Obersasbach und Sasbachwalden, alle Besuche der schwangeren Frauen wurden noch zu Fuß bewältigt, egal ob es regnete, schneite oder ob es mitten in der Nacht war. In den 46 Jahren ihrer Tätigkeit hat sie 1170 Kindern geholfen, das Licht der Welt zu erblicken. Dazu gehören viele Laufer Bürger die noch vor 1959 geboren wurden. Damals wurden die meisten noch zu Hause geboren, heute sind es nur noch 1%.
Neben der Hilfeleistung vor, während und nach der Geburt gehörte zu diesem Amt auch eine Reihe weiterer sozialer Pflichten, die heute nicht mehr bekannt sind: zum Beispiel die Organisation und Überwachung der Feierlichkeiten um Kindbett und Taufe, die Spendung der Nottaufe usw.
Es gab damals auch noch kein Telefon oder gar Handys, um anzurufen, wenn eine Geburt bevorstand. Der Bereitschaftsdienst bestand oft darin, dass die älteren Enkelkinder zu Hause Wache hielten, wenn die Oma zum Beispiel auf dem Feld arbeitete. Kam dann jemand, um eine Geburt anzumelden, mussten Rudolf oder sein Bruder die Oma erst vom Feld holen. Manchmal kam es vor, dass sie im Dauerlauf sogar bis zum Lindenhaus rennen mussten, wo die Oma auf dem Feld arbeitete. Trotzdem kam Barbara nie zu spät zu einer Geburt. Sie eilte sofort nach Hause, nahm ihren Hebammenkoffer und ging los.
Später kaufte ihr Mann in der Laufbachstraße ein Haus. Zum Haus gehörte auch ein Garten, der direkt an die Laufbachstraße angrenzte. Am Straßenrand gab es einen Brunnen, der durch eine Felsplatte teilweise abgedeckt wurde. Durch diesen Brunnen, in Verbindung mit der Hebamme Barbara, entstand in Lauf die Geschichte vom „Kindelsbrunnen“ . Da wir Kinder damals erst mit 14 Jahren im Religionsunterricht darüber aufgeklärt wurden woher die Kinder kommen, wurde uns jüngeren Kindern immer die Geschichte vom Kindelsbrunnen erzählt, dass eben Barbara die Kinder aus dem Brunnen holt und zu den Leuten bringt. Zum Beweis zeigten uns unsere Eltern dann oft diesen geheimnisumwobenen Brunnen.
Rudolf, der zweitälteste Enkel, erinnert sich auch noch an einige andere Besonderheiten, die das Familienleben seiner Großeltern betraf: „Opa war ein sehr wortkarger Mann. Wenn sie auf dem Feld waren, hat Opa an dem einen Ende Unkraut gehackt und die Oma am anderen Ende. Abends sagte dann Oma: „Heute hatten wir wieder stille Stunden“. Oma war auch der Finanzverwalter in der Familie. Wenn Opa am Sonntagmorgen zur Kirche ging, bekam er vorher 2 DM damit er danach im Gasthaus Linde noch seine Viertele Wein trinken konnte.
Besondere Erinnerungen habe ich auch an die Hausierer aus dem Schwabenland, die nach dem Krieg die Leute hier bis in die 60er Jahren mit bestimmten Haushaltswaren versorgt haben: z. Beispiel Schmierseife, Waschpulver, Schuhcreme und andere Dinge. Für die Leute im Gebirge wurden die Bestellungen bei meiner Oma angeliefert, von dort habe ich dann mit dem Leiterwagen die bestellten Waren zu den Leuten im Gebirge hingebracht. Für jede abgegebene Lieferung und das Kassieren des Geldes bekam ich dann von meiner Oma 10 Pfennige, so dass ich immer ausreichend Taschengeld hatte.“
Barbara Zimmer mit Ehemann Rudolf beim goldenen Hochzeitsjubiläum
1959 beendete Barbara Zimmer im Alter von 70 Jahren ihren offiziellen Dienst als Hebamme. Inzwischen hatte sich auch der Trend zur Klinikgeburt fortgesetzt, außerdem wurde in dieser Zeit von Dr. Wey in Lauf beim Schlangenpfädle eine Geburtsstation eingerichtet, die von seiner Frau und der neuen Hebamme Martha Steimel betreut wurde.
Zu den Leistungen der Krankenkassen zählte die Geburt im Krankenhaus erst seit den 1960er Jahren, vorher war dafür eine ärztliche Risikobescheinigung nötig. Nach dem Ende ihres offiziellen Dienstes als Hebamme hat Barbara sich weiterhin bis ins hohe Alter als Betreuerin für schwangere Frauen und für die Vorbereitungen der Tauffeierlichkeiten engagiert. Viele Laufer Bürger erinnern sich, noch voller Wertschätzung an die „Trappe Bärb“ die sich trotz vieler Schicksalsschläge ihr frohes Wesen bewahrt hatte.
Nach einem langen, arbeitsreichen und ereignisvollen Leben verstarb sie dann im Jahre 1977 am 31. Juli, im Alter von 89 Jahren .
Heute bekäme die „Trappe Bärb“, wie man sie nannte, für ihr Leistungen sicher das Bundesverdienstkreuz oder eine andere öffentliche Anerkennung.
Das Wohnhaus von Barbara Zimmer in der Laufbachstrasse.